Islām und Moderne - Teil 8: Dauerhaftigkeit des Glaubens

13/08/2009| IslamWeb

Dauerhaftigkeit des Glaubens

 
Die islâmische Wertordnung geht von der menschlichen Natur aus. In ihrer Behandlung des menschlichen Handelns geht die islâmische Wertordnung von der menschlichen Natur aus und läss jede zusätzliche eigene Bemühung des Einzelnen für weitere Steigerung in Richtung des Ideals zu. Der Islâm überfordert die durchschnittlichen Menschen nicht mit schweren Geboten, sondern es wird von ihnen - außer in Bezug auf den Glauben an den einzigen Gott - Mittelmäßigkeit verlangt und wer höher steigen will, dem ist jede Tür offen. Die erste Eigenschaft der islâmischen Wertordnung ist es, dass sie der menschlichen Natur entspricht und keine besonderen Geheimnisse einer religiösen Elite enthält. Das garantiert ihr eine alle Menschen umfassende Totalität.
 
Dieser Aspekt wird von der Orientalistik total verfälscht und so auch weiter vermarktet. Helmuth von Glasenapp ist mit seinem bekannten Buch Die fünf Weltreligionen ein eklatantes Beispiel dafür. Er übernimmnt ohne jeglichen Tiefblick die Ansicht eines Orientalisten - das ist der Religions- und Kulturforscher der Iranistik Hans Heinrich Schaeder - und gibt sie wieder als eine Tatsache:
 
„So hoch wir die kulturelle und politische Bedeutung Muhammads für das Arabertum auch einschätzen müssen, im Hinblick auf seine Metaphysik und Ethik kann seine Lehre den Vergleich mit den anderen vier großen Religionen nicht aushalten. Denn an ihnen gemessen stellt er an seine Bekenner nur geringe Ansprüche. Besonders zeigt dies im Vergleich mit Buddhismus und Christentum, H. H. Schaeder sagt darüber: ,Buddhismus und Christentum sind ihrem ursprünglichen und jeder Zeit wieder zu erweckenden Wesen nach Religionen der Höchstforderung. Ihr gewaltiger Erfolg zeigt, welch eine werbende Kraft in diesem Wesen steckt. Der Islâm, die Religion der Mindestforderung, beweist, dass es auch das Gegenteil gibt. Jene wirkten und wirken durch die Verneinung der natürlichen Welt und des natürlichen Menschen in ihr, Muhammad wirkte, indem er beides bejahte, freilich in schlechthinniger Unterordnung unter die Majestät und Erbarmen Gottes. Für jene Religionen treten Geist und Macht, der religiöse und der politische Bereich so weit auseinander wie nur möglich; wie fruchtbar die Spannung sein kann, die dadurch entsteht, ist nicht zu verkennen. Für Muhammad fallen die beiden Pole zusammen, eine Spannung zwischen ihnen hat er kaum empfunden; durch diese scheinbare Vereinbarung der Gegensätze sind dem Islâm wohl manche Erschütterungen und Krisen der christlichen Welt fremd geblieben, aber auch das unabhängige schöpferische Ringen um den Sinn von Geist und Macht und um das wahre Leben im Kampf um diesen Sinn, das bei allen Leiden, die es im Gefolge hat, die Größe der abendländischen Geschichte ausmacht.‘“
 
Diese Ansichten zeigen leider ein flagrantes Missverständnis des Islâms, der Religion für jedermann. Das ist auch ein Teil seines Anspruchs auf Ganzheitlichkeit. Jeder Mensch kann die islâmischen Gebote durchführen. Das ist eine Garantie der Dauerhaftigkeit des Glaubens. Glasenapp - ein bekannter Indologe, Phi1osophie- und Religionsforscher - nimmt den leichten Weg; statt Schaeders Meinung zu überprüfen, adoptiert er sie diskussionslos. Glasenapp, sowie auch Schaeder, konnte nicht einsehen, dass es ein Vorteil des Islâm ist, Religion des ,,natürlichen Menschen” zu sein. Solchen Stimmen wie Schaeder und Glasenapp, die in ihrer Auseinandersetzung mit dem Islâm nur intellektuelle Feigheit - keine wissensehaftliche Konfrontation - betreiben stellt man einfach andere christliche Stimmen entgegen, die zeigen mögen, inwieweit ihre Thesen stimmen. Horst Herrmann z. B. spricht über die Schwierigkeit, die Gebote innerhalb des kirchlichen Dogmas zu halten, die Verzweiflung und folglich Atheismus oder mindestens passiven Glauben ohne Praxis hervorrufen kann.
 
„[...] Kein Mensch kann die päpstliche Norm erfüllen. Doch das ist gewollt: Nur SünderInnen bleiben gehorsam, warten auf jene, die ihnen Erlösung predigen [...] Sind die biblischen oder kirchenväterlichen Lasterkataloge, die ein paar tausend Jahre auf dem Buckel haben, wirklich das letzte Wort an die Welt? [...] Der wundersam interessengeleitete Trick, Opfer zu schaffen, besteht aber noch immer darin, Menschen sorgsam zu spalten [...] Dieses christliche Schisma nötigt den einzelnen zu dauerndem Kampf, blockiert  natürliche Möglichkeiten, schafft ein ständiges Mit-sich-selbst-Hadern, macht Zwist im Innern heimisch. Solche Religion verleugnet, verlästert das Ich, unterbindet Wissbegierde, Selbstliebe [...] Das asketische Versagen des Christenmenschen ist im System selbst angelegt. Niemand kann die Gebote halten, die ihm auferlegi werden […].“
 
Im Islâm stellt die Durchführung der Gebote keine Schwierigkeit dar. Im Notfall herrschen leichtere Regel als in der normalen Lage. Diejenigen, die auf mehr Belohnung hoffen, können zusätzliche gute Taten und freiwilligen Gottesdienst vollziehen. Das flexible System des Islâm reicht vom Mindestmaß der bekannten Gebote bis zur völligen Askese und höchstem Streben, sich vom Irdischen zu befreien, jeder Mensch nach seiner Natur, Fähigkeit, Stimmung und Gemüt.
 
Vorschrift und Pflicht sind, dass er das Mindestmaß von Gottesdienst, Ethik und Achtung des Gesetzes vollziehen muss.
 
Aber woher bezieht nun dieses Wertsystem seine Glaubwürdigkeit? Woher kommt seine Autorität? Warum genießt es diese große Prominenz unter den Muslimen? Warurn verpflichten sie sich ihm? Das besprechen wir im folgenden Artikel.
 
Islâm und Moderne - Teil 7: Ganzheitlichkeit der islâmischen Wertordnung
 
Islâm und Moderne - Teil 9: Glaubwürdigkeit und Autorität der islâmischen Wertordnung
 

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