Die Reise eines Haddschis

16/08/2016| IslamWeb

Er verließ sein Haus glücklich und froh, er verpflichtete sich gegenüber Allâh, sich große Mühe zu geben, um seinen Haddsch vollständig und vorschriftsmäßig zu vollziehen, er träumte schon davon, dass er dies und jenes tun würde, um seinen Schutzherrn den Hocherhabenen zufrieden zu stellen. Er kam am Flughafen an und hatte das Gefühl, als ob der Himmel und die Erde samt ihren Bewohnern ihn zum Haddsch beglückwünschen würden, als ob er vor Freude und Glückseligkeit fliegen würde. Im Flughafen gab es wie erwartet die erste Berührung mit der Wirklichkeit, denn es war sehr voll und die Maschine hatte mehrstündige Verspätung.

 
Gespannte Atmosphäre
 
Anfangs blieb er ruhig und war geduldig, als aber die Stunden vergingen, verging auch seine Geduld, zumal die meisten in seiner Umgebung zu murren begannen und nervös wurden. Die Atmosphäre war sehr gespannt, er blickte zu den anderen Haddschis und hörte ihnen zu, wie sie heftig protestierten, einige begannen sogar, mit den Brüdern zu streiten, die für diese Verspätung verantwortlich waren, und als er sie dabei auseinanderbringen wollte, erinnerte er sich an die Worte Allâhs des Erhabenen: „... Wer sich also in ihnen den Haddsch auferlegt hat: So gibt es kein obszönes Ansprechen und keine Lasterhaftigkeit und keine Streitigkeit während des Haddsch ...“ (Sûra 2:197); dann setzte er sich auf seinen Platz, Allâh preisend, Seiner gedenkend und Vertraulichkeit findend in den Worten Allâhs: „Und gedenkt Allâhs während gezählter Tage! ...“ (Sûra 2:203). Diese Worte hielt er für den besten Freund, dann kamen zu ihm die guten Freunde aufeinander, da kamen ihm die Worte des Barmherzigen in den Sinn: „... Und was ihr an Gutem tut, Allâh weiß es ...“ (Sûra 2:197). Diese edlen Worte ermutigten ihn, die Anderen zu beruhigen und deren Zorn mit schönen Worten zu mindern, die schön gesagt ihre Wirkung nicht verfehlten, sodass die Stimmen seiner Nachbarn leiser wurden, die Allâh um Vergebung baten, und es wurde einigermaßen ruhig, und da besuchte ihn ein strahlender Gast, der zu ihm liebenswürdig sagte: „Und versorgt euch mit Reisevorrat, doch der beste Reisevorrat ist wahrhaftig die Demut in Ehrfurcht gegenüber Allâh!“ (Sûra 2:197).
 
Veränderung des Zustandes
 
Er holte aus seinem Gepäck ein Buch über die Reihenfolge der Haddsch-Riten und die Bittgebete des Propheten und begann, die Haddschis daran zu erinnern, während sie ihm zuhörten und einige andere sich zu ihm gesellten. Die Lage hatte sich vollständig geändert: Die düsteren Gesichter wurden heiter, die lauten Stimmen wurden einmal geflüstertes Gedenken Allâhs und einmal Bittgebete für den Gesandten Allâhs, innere Ruhe hüllte sie ein und die Worte Allâhs erfüllten sie: „Und seid in Ehrfurcht Mir gegenüber demütig, o ihr Leute von Verständnis!“ (Sûra 2:197).
 
Die Zeit verging schnell, der Flug wurde aufgerufen, die Leute beeilten sich, wobei jeder versuchte, dem Anderen zuvorzukommen; er ging ihnen aus dem Weg, Allâhs gedenkend, dankend und lobpreisend, nach den Worten Allâhs handelnd: „... und den Namen Allâhs an bekannten Tagen über dem aussprechen ...“ (Sûra 22:28).
 
Als er an Bord ging, war er sehr erstaunt, denn jeder versuchte, planlos und ohne Beachtung der Sitznummer Platz zu nehmen, sogar im Bereich der ersten Klasse, wer sich dort setzen konnte, der hatte nach ihrem Brauch Erfolg, der Wetteifer war daher sehr hart. Jeder war gegen seinen Bruder aufgebracht und warum? Wegen eines Sitzes, den man in kurzer Zeit verlassen wird. Da erinnerte sich der Pilger an den Hadîth des Gesandten Allâhs: „Und die Belohnung für einen rechtschaffen vollzogenen Haddsch ist nichts außer das Paradies.“ Man fragte: „Und wie wird er rechtschaffen vollzogen?“ Der Prophet antwortete: „Durch Speisen [der Armen] und gute Worte.“ Wo waren die guten Worte bei dem, was dieser Haddschi dort sieht? Und da erhellte sich sein Gesichtsausdruck, als er sich an einen edlen Vers erinnerte, den er in die Tat umsetzen wollte: „... Frömmigkeit jedoch – wer demütig in Ehrfurcht gegenüber Allâh ist ...“ (Sûra 2:189). So machte er den anderen Haddschis Platz und ging Allâhs gedenkend und Ihn lobpreisend ruhig weiter, bis er den für ihn von Allâh vorherbestimmten Sitz, ob er nun darum wetteiferte oder nicht, erreichte. Die Gemüter hatten sich inzwischen beruhigt, das Flugzeug hob ab und alle sprachen aus: „Gepriesen sei, Der uns dies dienstbar gemacht hat, und wir wären hierzu nicht imstande gewesen! Und wahrhaftig! Wir sind gewiss zu unserem Herrn Umkehrende!“ (Sûra 43:13-14).
 
Eine praktische Prüfung
 
Sie erinnerten sich an den Hadîth des Propheten: „Keiner spricht jemals die Talbiya (beim Haddsch oft zu wiederholende Worte) aus, ohne dass er dafür die frohe Botschaft erhielte.“ Man fragte: »O Gesandter Allâhs, [die frohe Botschaft] des Paradieses?« Er erwiderte: „Ja!“ Bei At-Tabarânî mit einer guten Überliefererkette überliefert.
 
Das Flugzeug kam am Flughafen von Dschidda an und dort überfiel sie ein bekümmerndes Gefühl, denn sie mussten ob des starken Gedränges in der Ankunftshalle so lange warten, bis Allâh Sich ihrer erbarmte.
 
Stunden vergingen, in denen sie nur Wände und Sitze zu sehen bekamen, ihre Augen blieben an einer Tür haften, in der Hoffnung, dass sie geöffnet werde, damit die Ankunftsformalitäten beginnen. Diese Betrübnis war die praktische Prüfung, damit ihre Herzen Demut in Ehrfurcht gegenüber Allâh erlangen, die Allâh der Hochgepriesene immer wieder in den Versen des Haddsch bis zu neunmal erwähnt hat.
 
Wie erreicht man realiter, dass der Haddschi nur Allâh im Herzen hat, nur Seiner gedenkt und sich nur mit dem Gehorsam Ihm gegenüber und mit Seiner Zufriedenheit beschäftigt?
 
Wie erstrebt der Haddschi die Nähe zu Allâh in seinen Taten und Worten? Wie fallen einem diese Prüfungen leicht?
 
 
Die Beschäftigung mit Allâh
 
Dieser Haddschi sagte zu sich: „Wenn ich mich mit Allâh dem Hochgepriesenen dermaßen beschäftige, dass es mein Herz beherrscht und meine Handlungen dominiert, wird Allâh mir dann sicherlich helfen.“ Er sagte sich weiterhin: „Was ist mit dir, meine Seele? Im Flughafen hast du Allâhs gedacht, nach der Ankunft, unterwegs und überall hast du Allâhs gedacht, und solange Allâh mit dir ist, sei unbekümmert!“ Dann beruhigte er sich.
 
Die Haddschis verloren jedoch trotz der Pilgerweihe die Geduld und daher gab es Unbehagen und Murren, einige vergaßen sogar im Zorn das Gedenken Allâhs und Andere sprachen ab und zu die Talbiyanur mit der Zunge, während sich ihre Herzen mit etwas Anderem außer Allâh beschäftigten. Da alles einmal ein Ende hat, gingen auch die Formalitäten zu Ende gegangen und die Haddschis verließen den Flughafen in Richtung der altehrwürdigen Stadt Makka.
 
Es waren inzwischen nur einige Stunden vergangen, die jedoch einige Haddschis um die Frömmigkeit bei deren Haddsch gebracht hatten, noch bevor der eigentliche Haddsch begann. Dies sind alles Prüfungen und Versuchungen, die aufeinander folgen. Der Haddschi soll sich in Acht nehmen, dass keine dieser Prüfungen ihn verschlingt. Die Reisebusse fuhren mit großer Geschwindigkeit Richtung Harâm-Moschee, während unser Freund der Haddschi noch immer die Talbiya aussprechend, Allâh lobpreisend, Seiner gedenkend, weinend und demütig war.
 
Als der Bus das Haus erreicht hatte, in dem sie sich während der Haddsch-Zeit aufhielten, packten sie ihre Sachen aus. Bei einigen hingen die Herzen noch an der vergänglichen Welt, sodass sie sich um die Zimmer und Schlafplätze stritten, und dies geschah in der Zeit, in der sie eigentlich der Vorbereitung auf den Tawâf (Umschreiten der Ka’ba), das Gebet und den Sa’î (Lauf zwischen Safâ und Marwa) eingedenk sein sollten. So aber ist der Satan, er beherrscht es meisterhaft, uns den Versuchungen auszusetzen, die uns vom Ziel ablenken. Der Haddschi entfernte sich indes von dieser Versuchung und mit seinem Herzen vor seiner Zunge wiederholte er: „Hier bin ich zu Deinen Diensten, o Allâh, hier bin ich zu Deinen Diensten! Hier bin ich zu Deinen Diensten, Du hast keinen Teilhaber, hier bin ich zu Deinen Diensten! Wahrhaftig! Der Lobpreis und alle Gunstbezeigung sind Dein und alle Herrschaft, Du hast keinen Teilhaber."
 
Er wartete ruhig, bis er bei der Toilette an der Reihe kam, wobei er sich mit dem Gedenken Allâhs und der Talbiya beschäftigte, ohne Wetteifer und Wettkampf, denn es gab auch deswegen viele Probleme. Er erinnerte sich immer an die Worte des Gesandten: Und die Belohnung für einen rechtschaffen vollzogenen Haddsch ist nichts außer das Paradies.Es gibt viele Versuchungen, die das Wort „Haddsch“ vom Wort „rechtschaffen vollzogen“ zu trennen versuchen, und das durch Handlungen, auf die man einfach großmütig verzichten kann, falls man auf dieser gesegneten Reise nur Allâh vor Augen hat. Denn die Demut in Ehrfurcht gegenüber Allâh gehört zu den nachdrücklichen Notwendigkeiten, die beim Haddsch erforderlich sind.
 
Als sich alle vorbereitet hatten, fuhr der Bus in Richtung der Harâm-Moschee, sein Herz wollte schneller sein und er war außer sich vor Freude und er rezitierte unwillkürlich und mehrmals: „Wahrhaftig, das erste Haus, das für die Menschen errichtet wurde, ist gewiss dasjenige in Bakka als ein gesegnetes Haus und eine Rechtleitung für die Welten!“ (Sûra 3:96).
 

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