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Mudârâ ist die Hälfte des Verstandes – Teil 1

Mudârâ ist die Hälfte des Verstandes – Teil 1

Allâh der Erhabene hat die Menschen nicht gleich erschaffen. Im Wesentlichen gibt es Unterschiede zwischen ihnen, selbst wenn wir Zwillinge vergleichen würden. Die meisten Unterschiede findet man in ihren Gemütern, Meinungen, Überzeugungen und Gedanken. Wenn also die Vielfalt eine universelle Norm ist, sollte der Mensch rational und weise im Umgang mit anderen handeln, besonders in Situationen der Meinungsverschiedenheit.

Es ist nichts Falsches daran, auf einige weltliche Errungenschaften zu Gunsten des Wohls im weltlichen Leben oder im Jenseits zu verzichten. Die Gelehrten bezeichnen dies als Mudârâ: Nachsicht üben und sich höflich verhalten. Wer sich gegenüber Menschen demütig verhält, mit ihnen in einer milden Art und Weise spricht, einen harten Umgang meidet und ihren Schaden mit Sanftmut abwehrt, besitzt Mudârâ.

Es gibt jedoch einen bedeutenden Unterschied zwischen der empfohlenen Mudârâ und der verbotenen Mudâhana. Mudârâ ist der Verzicht auf weltliche Vorteile zum Zwecke der Verbesserung der eigenen weltlichen und religiösen Angelegenheiten, während Mudâhana der Verzicht auf die eigene Religiosität zum Zwecke einer Besserstellung des eigenen Lebens in dieser Welt ist.

Al-Hasan Al-Basrî (Allâh erbarme sich seiner) sagte: „Es heißt: Mudârâ ist die Hälfte des Verstandes, aber ich sage, dass Mudârâ den ganzen Verstand ausmacht.“ Wuhaib ibn Al-Ward (Allâh erbarme sich seiner) sagte: „Ich sagte zu Wahb ibn Munabbih: ‚Ich möchte mich von den Menschen fernhalten.‘ Er antwortete: ‚Du musst mit den Menschen sein und die Menschen müssen mit dir sein. Du brauchst sie und sie brauchen dich. Sei (in deinem Umgang mit ihnen) taub, allerdings ein guter Zuhörer; sei blind, jedoch einsichtig, und sei schweigsam, aber ein guter Redner (wenn du sprichst).‘“ Muhammad ibn Al-Hanafiyya (Allâh erbarme sich seiner) sagte: „Nicht nachsichtig ist, wer nicht in Güte mit denen lebt, mit denen er zu leben hat, bis Allâh ihm Erleichterung verschafft (oder er sagte: bis Allâh ihm einen Ausweg schafft).“

Abû Dardâ (möge Allâh mit ihm zufrieden sein) sagte: „Wir grinsen und lächeln manche Menschen wahrlich nur an, während unser Herz sie verflucht.“ Er sagte auch zu seiner Frau: „Falls ich verärgert bin, versuche mir zu gefallen, und wenn du verärgert bist, werde ich versuchen, dir zu gefallen, ansonsten werden wir uns bald trennen.“ Mu’âwiya (möge Allâh mit ihm zufrieden sein) sagte: „Wenn nur ein winziges Haar zwischen mir und den Menschen ist, wird es nicht abreißen.“ Man entgegnete: „Wie das?“ Er sagte: „Wenn sie es strecken, werde ich es lockern, und wenn sie es lockern, werde ich es strecken.“

Ein Dichter sagte hierzu: „Ich drücke bei den Fehlern meines Freundes ein Auge zu, als ob ich sie nicht bemerken würde, obwohl ich das in Wirklichkeit nicht tue, aber ich kann durchaus tolerant sein, solange ich es versuche. Würde ich jedes Mal, wenn eines meiner Gelenke schmerzt, dieses amputieren, dann verliere ich am Ende alle meine Gelenke und kann nicht mehr aufstehen. Stattdessen versuche ich, es zu trösten, so dass es, wenn es sich erholt, mich fest stützt, und wenn es immer noch schmerzt, wird es mir weiterhin beim Aufstehen helfen.“

Âischa (möge Allâh mit ihr zufrieden sein) erzählte einst Urwa ibn Az-Zubair (möge Allâh mit ihm zufrieden sein), dass einmal ein Mann um Erlaubnis bat, beim Propheten (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) eintreten zu dürfen, so sagte dieser: „Lasst ihn hereinkommen, aber welch übler Sohn seines Stammes – oder er sagte: welch übler Mann seines Stammes – er doch ist!“ Als der Mann hereingekommen war, unterhielt er (der Prophet) sich freundlich mit ihm. Später sagte Âischa zu ihm: „O Gesandter Allâhs, du hast dich so abfällig über diesen Mann geäußert, aber dann hast du doch freundlich mit ihm geredet!“ Er erwiderte: „Ach Âischa, der schlimmste Mensch ist jener, den die Leute wegen seines schamlosen Charakters meiden“ (Al-Buchârî und Muslim).

Al-Munâwî (Allâh erbarme sich seiner) sagte: „Dies geschah aufgrund seiner schlechten Taten und Worte oder wegen seiner Übertretung der von der Scharia gesetzten Grenzen in Wort und Tat. Hierbei handelt es sich um eine grundlegende Empfehlung der Mudârâ, um Schaden abzuwehren oder Nutzen zu stiften, im Gegensatz zur Mudâhana, die gänzlich verboten ist. Denn Mudâhana bedeutet, die eigene Religion für einen weltlichen Vorteil zu verletzen, während Mudârâ einen weltlichen Vorteil zum Wohle der eigenen Religion und des Diesseits zu opfern meint. Beispiele für solch eine lobenswerte Mudârâ sind: Sanftmut zu zeigen, wenn man eine unwissende Person belehrt oder Sünder verbietet, einen Fehler zu begehen, auf Härte zu verzichten, Güte walten zu lassen und andere ähnliche Umgangsformen, die allesamt erforderlich und angemessen sind, falls sie einen Nutzen stiften. Stiften sie hingegen keinen Nutzen und das Übel solcher Menschen wird nicht abgewendet, wie dies bei einigen Menschen der Fall ist, dann ist die Anwendung von Mudârâ nicht zulässig.“

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