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Gedanken zum Vers "Und dass dem Menschen nur das zusteht, was er selbst tat." (Sûra 53:39)

Gedanken zum Vers "Und dass dem Menschen nur das zusteht, was er selbst tat." (Sûra 53:39)

Einige Qurân-Verse besagen, dass die diesseitigen Taten des Menschen nur für ihn selbst sind und dass allein seine Taten von Nutzen sind. So lesen wir im Qurân: "Und dass dem Menschen nur das zusteht, was er selbst tat." (Sûra 53:39) Dieser Vers sagt ganz klar aus, dass dem Menschen lediglich seine Taten von Nutzen sind, so lässt sich daraus folgern, dass er nichts von den Taten anderer hat.

 
Doch gibt es auch Verse, die belegen, dass der Mensch von den Taten anderer profitieren kann, wie etwa: ,,Und denjenigen, die glauben und denen ihre Nachkommenschaft im Glauben nachfolgt, lassen Wir ihre Nachkommenschaft sich (ihnen) anschließen. Und Wir verringern ihnen gar nichts von ihren Werken.“(Sûra 52:21) Dass der Rang der Nachkommen erhöht wird, ist ein Nutzen, egal ob wir davon ausgehen, es handle sich bei den Nachkommen um Kinder oder um Erwachsene. Sie profitierten hier von den Taten ihrer Vorväter, also nicht von ihren eigenen Taten. Wenn dem so ist, scheint zwischen diesen Versen ein Widerspruch zu bestehen!
 
Schlagen wir also im Tafsîr (Kommentar) des letzten Verses nach: ,,Und denjenigen, die glauben und denen ihre Nachkommenschaft im Glauben nachfolgt, lassen Wir ihre Nachkommenschaft sich (ihnen) anschließen. Und Wir verringern ihnen gar nichts von ihren Werken.“ Wir stellen fest, dass dieser Vers bedeutet, dass die Nachkommen wahrhaft gläubiger Menschen, die dem rechtschaffenen Weg ihrer Vorfahren folgten, am Tag der Auferstehung ihren Vorvätern zugerechnet werden. Sie werden alle den gleichen Rang im Paradies haben, auch wenn die Taten der Nachkommen nicht denen der Vorväter gleichen, weil die Nachfahren ihre Vorfahren ehrten und sich die Vorfahren an den Nachfahren erfreuen, wobei den Vätern nichts von ihrem Lohn abhanden kommen wird.
 
Ein weiterer Beleg für diese Bedeutung ist ein Kommentar des Ibn 'Abbâs zu diesem Vers: "Wahrlich Allâh, der Gesegnete und Erhabene, erhöht den Rang der Nachkommen des Gläubigen, auch wenn deren Taten geringer sind, damit sich jene an diesen erfreuen." In einer anderen Überlieferung heißt es: "Allâh, der Gesegnete und Erhabene, erhöht gewiss den Rang der Nachkommen des Gläubigen, so dass er seinem Rang gleicht, auch wenn deren Taten geringer sind, damit er sich ihrer erfreut."
 
So bedeutet also der Vers der Sûra At-Tûr (Sûra 52), dass die Nachkommen jener, die an Allâh glaubten, ihren Vorvätern folgen und mit ihnen im Paradies sein werden, um ihre Freude zu vervollkommnen und sie zu ehren, denn es ist dem Gläubigen eine Freude bei seinen Verwandten zu sein.
 
Der Vers der Sûra An-Nadschm "Und dass dem Menschen nur das zusteht, was er selbst tat." (Sûra 53:39) bedeutet zunächst nur, dass dem Menschen nur zusteht, was er selbst an Werken verrichtete und dass er für sein Handeln Rechenschaft ablegen muss, dass also keinem die Taten anderer nutzen. Der Vers erklärt also, dass der Mensch nicht für die Taten anderer belohnt wird, wer dies auch sei. Dieser Vers folgt auf einen Vers, der verdeutlicht, dass der Mensch nicht für die Sünden anderer belangt wird: "dass keine lasttragende (Seele) die Last einer anderen auf sich nehmen wird" (Sûra 53:38) So wird klar, dass der Mensch nur aus seinen Taten Nutzen zieht und nicht für die Taten anderer zur Rechenschaft gezogen wird. Soviel zur allgemeinen Bedeutung der beiden Verse.
 
Für den Vers, mit dem wir uns in diesem Artikel beschäftigen, gibt es einige Belege, die dessen Bedeutung erklären, nämlich, dass der Mensch auch von den Taten anderer profitieren kann: Von Ibn 'Abbâs  möge Allah mit ihm zufrieden sein ist überliefert, dass er über den Vers "Und dass dem Menschen nur das zusteht, was er selbst tat" sagte: "Allâh offenbarte anschließend dies: «Und denjenigen, die glauben und denen ihre Nachkommenschaft im Glauben nachfolgt, lassen Wir ihre Nachkommenschaft sich (ihnen) anschließen.» Er ließ also die Nachkommen durch die Rechtschaffenheit ihrer Vorfahren das Paradies betreten."
 
Mutawâtir (sehr häufig und unabhängig) überlieferte Hadîthe, sowie der Konsens der frühen Gelehrten belegen, dass der Gläubige von bestimmten Taten proftieren kann, die er nicht selbst verrichtete, wie etwa das Bittgebet und die Bitte um Vergebung: "Diejenigen, die den Thron tragen, und diejenigen, die in seiner Umgebung sind, lobpreisen ihren Herrn und glauben an Ihn und bitten um Vergebung für diejenigen, die glauben" (Sûra 40:7) Sowie auch das Bittgebet der Propheten und Gläubigen, wie etwa in diesem Vers: "[...] und bete für sie, denn dein Gebet ist für sie eine Beruhigung!" (Sûra 9:103) und im Vers: "Und bitte um Vergebung für deine Sünde und für die gläubigen Männer und die gläubigen Frauen!" (Sûra 47:19).
 
In Hadîthen ist darüber hinaus eindeutig belegt, dass die frommen Taten, die dem Verstorbenen gewidmet werden – wie Spenden oder Ähnliches – diesem nutzen: In den beiden Sahîh-Werken ist überliefert, dass der Prophet  möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken sagte: "Wer stirbt und noch zu fasten hat, für den soll dessen Vormund fasten!" Gleiches ist über das Fastengelübde und den Haddsch überliefert.
 
Im gleichen Kontext ist dieser Hadîth zu verstehen: "Wenn der Sohn Âdams stirbt, enden seine Taten, bis auf drei: Fortlaufende Almosen, Wissen, von dem andere profitieren, oder ein rechtschaffenes Kind, das für ihn betet." Überliefert von An-Nasâ'î und At-Tirmidhî; der Hadîth belegt unsere obige Aussage also eindeutig. Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Belege hierfür.
 
Noch deutlicher: Wenn der Wortlaut des Verses besagt, dass dem Menschen nur zusteht, was er selbst ergatterte – und dies ist eine unumstößliche Tatsache – so schließt dies nicht aus, dass der Mensch auch aus den Taten anderer Nutzen ziehen kann. Allâh erbarmt Sich Seiner anbetend Dienenden und öffnet ihnen die Tore Seiner Barmherzigkeit durch Wege, die dem Menschen nicht aus eigener Kraft zugänglich wären. Er versorgt sie und gibt ihnen reichlich aus Quellen, die Er Seinen anbetend Dienenden zur Verfügung stellt. Dies ist folgendem Hadîth zu entnehmen: "Wer das Totengebet verrichtet, der erhält einen Qîrât, und wer dem Totenzug folgt, bis der Leichnam beigesetzt wird, der erhält zwei Qîrât, wobei das Kleinste dem Berg Uhud gleicht!" (Übereinstimmend überliefert). Außerdem ist im Sahîh-Werk Muslims überliefert, dass der Prophet  möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken sagte: "Jeder ergebene Diener, der für seinen Bruder in dessen Abwesenheit betet, dem sagt der Engel: «Und dir dasselbe!»" Ein weiterer Hadîth besagt: "Jeder Muslim, der verstirbt und an dessen Totengebet vierzig Männer teilnehmen, die Allâh nichts beigesellen, für den werden diese Fürsprache einlegen." (Überliefert von Abû Dâwûd). Der Makellose erbarmt Sich dessen, der für einen Verstorbenen betet und der Verstorbene profitiert vom Gebet der für ihn Betenden. Weiterhin betreten die muslimischen Kinder das Paradies mit ihren Eltern. Dies alles und viel mehr beweist, dass der Mensch von den Taten anderer profitieren kann und dass dies nicht dem Inhalt des Verses widerspricht, wenn man das eben genannte berücksichtigt.
 
Liest man den Vers etwas genauer und denkt darüber nach, stellt man fest, dass der Mensch gar nicht sagen kann, dass ihm etwas tatsächlich gehört, außer wenn er es durch sein Handeln erlangt und mit eigener Anstrengung erreicht. Doch die Barmherzigkeit Allâhs, sowie die Vervielfachung des Lohnes sind nur im übertragenen Sinne als Besitz des Menschen zu bezeichnen, ebenso verhält es sich mit den Früchten seiner Mühe.
 
Es sollte noch gesagt werden, dass der anbetend Dienende den Rang seiner gläubigen Vorfahren nur erlangen kann, wenn er sich selbst darum bemüht, zu den rechtschaffenen Gläubigen und gottesfürchtigen Dienern Allâhs gezählt zu werden. Der Glaube und Gehorsam des anbetend Dienenden gehören offensichtlich zur seiner Mühe, von den Taten anderer Muslime zu profitieren; Beim Verrichten des Gemeinschaftsgebets etwa steigt der Lohn der Betenden durch das Vorhandensein anderer über den Lohn des allein Betenden. Es handelt sich also um eine höhere Belohnung, die durch die Taten anderer zustande kam. Der Betende bemüht sich aus seinem Glauben heraus in der Gemeinschaft zu beten, hätte er allein gebetet, erhielt er nicht den gleichen Lohn wie für das Gebet in Gemeinschaft. Wenn dem so ist, wird klar, dass der anbetend Dienende diesen Rang nur durch seine Mühe erhielt, seinen Vorfahren nachzueifern. Wer sich diesen jedoch nur zugehörig fühlt und mit ihnen verwandt ist, der wird niemals den Lohn erhalten und auch nicht deren Stufe erlangen. Somit ist bewiesen, dass dies alles – vor allem anderen – auf die Mühe des anbetend Dienenden aufbaut.
 
Doch der Vers weist noch einen anderen Aspekt auf: Der Vers bekräftigt, dass dem Menschen nur das zusteht, was er selbst durch Mühe erwarb, und verneint, dass ihm die Taten anderer zugesprochen werden; doch bedeutet dies nicht, dass dieser Vers besagt, dass der Mensch nicht aus den Taten anderer Nutzen ziehen darf. Dies ist dem Vers weder direkt noch indirekt zu entnehmen. Nicht alles, was der Mensch nicht hat, nützt ihm nichts; gibt es doch Dinge, die der Mensch zwar nicht besitzt, die ihm aber trotzdem etwas nützen. Wir haben bereits erwähnt, dass man aus dem Bittgebet anderer Nutzen zieht, sowie aus den Almosen und dem Haddsch im Namen der Person etc. Gleiches gilt in den Handlungen des alltäglichen Lebens, wie etwa wenn eine Person die Schulden eines anderen tilgt und somit die Schuld beglichen wurde, auch wenn der Schuldner nichts dazu beitrug und eigentlich er diese Schuld hätte begleichen müssen. Ebenso verhält es sich mit einem Menschen, der jemandem etwas spendet: Der andere darf es annehmen, besitzen und den islamischen Regeln gemäß verwenden.
 
Man könnte es in Anbetracht des oben Erwähnten auch so ausdrücken: Die Mühe, durch die der Rang der Kinder erhöht wird, ist nicht den Kindern zuzuschreiben, so wie Allâh, der Erhabene, sagt: "Und dass dem Menschen nur das zusteht, was er selbst tat", sondern den Eltern. Es handelt sich also um eine Anstrengung zugunsten der Eltern, durch die Allâh den Eltern eine Freude bereitete, indem Er ihre Kinder auf den selben Rang erhöhte, damit sie sich im Paradies an deren Anblick erfreuen können. Dieser Vers bestätigt also den anderen und widerspricht ihm nicht, denn die Erhöhung des Ranges geschieht zu allererst zu Ehren der Vorfahren und erst dann zu Ehren der Nachkommen. Der Nutzen, den die Nachkommen ziehen, ist also untergeordnet: In Bezug auf die Nachfahren ist dies ein Gnadenerweis Allâhs für etwas, was sie nicht selbst erarbeiteten, sowie Er ihnen auch die Paradiesjünglinge, die Paradiesjungfrauen und all die anderen Geschöpfe erschuf.
 

Ein weiterer Beleg, mit dem wir diesen Artikel abschließen, ist die Meinung eines Gelehrten über den Vers "Und dass dem Menschen nur das zusteht, was er selbst tat" unter Berücksichtigung des Verses: "Allâh vervielfacht, wem Er will." (Sûra 2:261). Er antwortete: "Gemäß der Gesetzmäßigkeit der Gerechtigkeit steht ihm nur zu, was er selbst erlangte, doch erlangt er durch Allâhs Gnade, was Allâh ihm gewährt." Dies ist der Kern dessen, was wir eben erwähnten.

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